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CORE Attorneys ist eine Schweizer Boutique-Anwaltskanzlei mit den Schwerpunkten Wettbewerbs- und Kartellrecht, Regulierung und Vertriebsrecht.
Mit Urteil vom 19. Februar 2024 stellte das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) fest, dass der Bundesrat keine Betriebsverordnung für das Reservekraftwerk in Birr hätte erlassen dürfen. Im Urteil ruft das BVGer Prinzipien des öffentlichen Rechts in Erinnerung. Dabei stellt es hohe Anforderungen an die Prüfung und Begründung von wirtschaftlichen Interventionsmassnahmen und deren Verhältnismässigkeit. Um einer Strommangellage vorzubeugen, erliess der Bundesrat im Dezember 2022 eine Verordnung über den Betrieb von Reservekraftwerken und Notstromgruppen bei einer unmittelbar drohenden oder bereits bestehenden Mangellage (Betriebsverordnung). Dabei stützte er sich auf das Landesversorgungsgesetz. Dieses sieht vor, dass der Bundesrat bei schweren Mangellagen zeitlich begrenzte wirtschaftliche Interventionsmassnahmen ergreifen kann. Basierend auf der Betriebsverordnung verfügte das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) eine bis zum 31. Mai 2023 laufende Betriebsbewilligung für das Reservekraftwerk Birr. Gegen diese Betriebsbewilligung erhob eine Anwohnerin nach vorangehender Einsprache Beschwerde beim BVGer. Sie machte geltend, dass im Winter 2022/2023 keine schwere Strommangellage bestand und damit sowohl die Verordnung des Bundesrats als auch die Betriebsbewilligung des UVEK unzulässig gewesen seien.
Im Rahmen der Beschwerde prüfte das BVGer die Betriebsverordnung vorfrageweise auf ihre Gesetzmässigkeit hin (konkrete Normenkontrolle). Dabei stellte es zunächst allgemein fest, dass der Bundesrat grundsätzlich berechtigt ist, zur Sicherstellung der elektrischen Energieversorgung wirtschaftliche Interventionsmassnahmen zu ergreifen. Dabei muss er jedoch das ihm zustehende Ermessen pflichtgemäss ausüben. Interventionsmassnahmen haben sich demnach am Gesetzeszweck zu orientieren und die Grundprinzipien der Verfassung einzuhalten.
Das BVGer prüfte zunächst das Vorliegen einer schweren Strommangellage. Diese ist Voraussetzung für die formelle Zuständigkeit des Bundesrates zum Erlass der Betriebsverordnung. Dabei kam es zum Schluss, dass die Vorinstanz – das UVEK – die Strommangellage nicht hinreichend substantiiert habe. Die Ausführungen des UVEK zur politischen Situation in Europa, zum Stillstand vieler französischer Atomkraftwerke und zur Studie des Bundesamtes für Energie (BFE) zur Stromversorgungssicherheit erachtet das BVGer als zu allgemein. Das BVGer erachtete eine schwere Mangellage daher als nicht erstellt. Die Voraussetzungen für wirtschaftliche Interventionsmassnahmen waren gemäss BVGer damit nicht gegeben.
In materieller Hinsicht kam das BVGer zum Ergebnis, dass die Betriebsverordnung den Verhältnismässigkeitsgrundsatz verletzt. Insbesondere sei nicht ersichtlich, welche anderen Interventionsmassnahmen zum Reservekraftwerk Birr in Betracht gezogen worden seien. Vor diesem Hintergrund hiess das BVGer die Beschwerde gut und stellte fest, dass die Betriebsbewilligung für das Reservekraftwert Birr gesetzeswidrig war.
Es ist bemerkenswert, dass das BVGer im Nachhinein eine drohende Strommangellage trotz der vom UVEK vorgebrachten Umstände, insbesondere den Ukrainekrieg, und ohne eigene Sachverhaltsabklärungen als nicht erstellt erachtet. Zu begrüssen ist indessen, dass das Gericht in diesem Urteil hohe Anforderungen an die Begründung und Verhältnismässigkeit staatlicher Interventionen stellt und auch nicht davor zurückschreckt, den Bundesrat als höchste Exekutive der Schweiz zu kritisieren. Da vorliegend die Betriebsbewilligung ohnehin am 31. Mai 2023 endete, hat das Urteil des BVGer jedoch keine direkten Konsequenzen. Dies begünstigte wohl die harte Kritik am Vorgehen von Bundesrat und UVEK. Wünschenswert wäre es, wenn das BVGer den angerufenen hohen Anforderungen auch in Entscheidungen mit direkten Folgen grössere Nachachtung verschaffen würde.
Das BVGer entscheidet letztinstanzlich, da bei Entscheiden auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Landesversorgung die Beschwerde an das Bundesgericht von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist.
Die Pressemitteilung des BVGer finden Sie unter folgendem Link: https://www.bvger.ch/de/newsroom/medienmitteilungen/fehlende-voraussetzungen-fuer-reservekraftwerk-birr-1223. Das Urteil können Sie sodann unter nachfolgendem Link abrufen: https://bvger.weblaw.ch/cache?id=ea722fa0-5944-43ae-bbb3-76fb0c729f71&guiLanguage=de&sort-field=relevance&sort-direction=relevance
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