Bundesgericht – Threema gilt nicht als Fernmeldedienstanbieterin im Sinne des BÜPF

Mit Urteil vom 29. April 2021 schützte das Bundesgericht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die rechtliche Qualifikation von Threema gemäss BÜPF. Damit ist höchstrichterlich entschieden, dass Threema als «Over-The-Top»-Dienstanbieterin nicht automatisch verpflichtet ist, die Randdaten ihrer Telefonie- und Messaging-Dienste in Echtzeit zu überwachen und deren Verschlüsselung aufzuheben.

Hintergrund

Das Bundesgericht (BGer) qualifizierte in seinem Urteil 2C_544/2020 vom 29. April 2021 Threema, eine Anbieterin von Telefonie- und Messaging-Diensten, nicht wie vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) gefordert als Fernmeldedienstanbieterin (FDA) im Sinne von Art. 2 lit. b des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Meldeverkehrs (BÜPF). Das BGer qualifizierte Threema wie schon die Vorinstanz (Beitrag zum Urteil des BVGer) vielmehr als Anbieterin abgeleiteter Kommunikationsdienste (AAKD) nach Art. 2 lit. c BÜPF. Damit wurde das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) vom BGer vollumfänglich gestützt. Somit ist letztinstanzlich bestätigt, dass Threema nicht automatisch den einschneidenden Mitwirkungspflichten des BÜPF unterliegt, sprich nicht verpflichtet ist, die Randdaten ihrer Telefonie- und Messaging-Dienste zu überwachen und deren Verschlüsselung zu entfernen.

Begründung

Wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren stand auch vor dem BGer die Frage im Zentrum, ob Anbieterinnen von sog. «Over-The-Top»-Diensten (OTT-Dienste) wie Threema als FDA im Sinne des BÜPF zu qualifizieren sind. Um die strittige Rechtsfrage zu beantworten, legte das BGer Art. 2 lit. b BÜPF i.V.m. Art. 3 lit. b des Fernmeldegesetzes (FMG) aus.

Dabei hielt das BGer fest, dass nach dem reinen Gesetzeswortlaut Anbieterinnen von OTT-Diensten nicht als FDA gelten, da sie nicht das Senden oder Empfange von Informationen über Leitungen (oder Funk) anbieten. Gegen eine Qualifikation als FDA spreche auch das historische Auslegungselement aufgrund verschiedener Ausführungen in den Gesetzgebungsmaterialien, insb. der Botschaft zum BÜPF (E. 5.1.1.). Das BGer sprach sich zudem ausdrücklich gegen eine objektiv-zeitgemässe Auslegung des Begriffs der FDA aus. Als Begründung wird im Urteil ausgeführt, dass OTT-Dienste bereits während den parlamentarischen Beratungen zum BÜPF als AAKD qualifiziert und dass während diesen Beratungen die rasanten technologischen Entwicklungen im Bereich der Telekommunikation bereits berücksichtigt wurden. Von einer infolge der technologischen Entwicklung erfolgten, massgeblichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die eine objektiv zeitgemässe Auslegung rechtfertigen würde, könne somit nicht gesprochen werden (E. 5.2.1.).

Im Rahmen der teleologischen Auslegung führt das BGer aus, dass das BÜPF primär die Kriminalitätsbekämpfung und Aufklärung von Straftaten bezwecke, weshalb sich eine weite Auslegung des Begriffes der FDA nicht aufdränge (E. 5.3.). Bei der Auslegung der relevanten Regelungen in systematischer Hinsicht sei zudem zu beachten, dass das BÜPF in einem gewissen Mass eine flexible Handhabung der Mitwirkungspflichten vorsieht, da diese unter bestimmten Voraussetzungen AAKD auferlegt werden und FDA von diesen befreit werden können (vgl. Art. 22 Abs. 4, Art. 27 Abs. 3 und Art. 26 Abs. 6 BÜPF). Diese Flexibilität spreche dagegen, die vom Gesetzgeber gewollte Kategorisierung der Mitwirkungspflichtigen durch Auslegung aufzuheben (E. 5.4).

Würdigung

Dem Urteil des Bundesgerichts kommt eine grosse Praxisrelevanz zu, da sich die in Bezug auf Threema gemachten Erwägungen für sämtliche Anbieterinnen von OTT-Diensten verallgemeinern lassen und OTT-Diensten aufgrund der technologischen Entwicklung bereits eine grosse und stetig zunehmende Bedeutung zukommt.

Das Urteil des BGer lässt keine Zweifel daran, dass Anbieterinnen von OTT-Diensten als AAKD im Sinne des BÜPF zu qualifizieren sind und diesen im Anwendungsbereich des BÜPF nicht ohne Weiteres die gleichen Pflichten wie den FDA zukommen. Dies scheint auch richtig, denn würde allein die Einspeisung von Informationen in eine bestehende Leitungs- oder Funkinfrastruktur für eine Qualifikation als FDA genügen, würden faktisch alle Diensteanbieterinnen FDA darstellen, was wiederum eine Unterscheidung zwischen FDA und AAKD obsolet machen würde.

Anzumerken bleibt, dass gemäss der Botschaft zum revidierten FMG (vgl. BBl 2017 6559 ff., S. 6599) der Begriff der FDA auch Anbieterinnen von OTT-Diensten mitumfasst. Die damit geschaffene Diskrepanz zwischen den Begriffsdefinitionen des FMG und des BÜPF ist aus rechtssystematischer Sicht und aus Sicht der Rechtsanwender nicht zu begrüssen.

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