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CORE Attorneys ist eine Schweizer Boutique-Anwaltskanzlei mit den Schwerpunkten Wettbewerbs- und Kartellrecht, Regulierung und Vertriebsrecht.
Der Bundesrat präsentierte am 25. August 2021 die Eckwerte für eine Schweizer Investitionskontrolle. Geplant ist die Einführung einer Melde- und Genehmigungspflicht. Diese soll der Verhinderung von Gefährdungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch ausländische Investoren sowie wesentlichen Wettbewerbsverzerrungen durch ausländische staatliche bzw. staatsnahe Investoren dienen. Für die Praxis besonders relevant werden die genauen Aufgreifkriterien der Meldepflicht sein. Diese sind zum aktuellen Zeitpunkt nicht abschliessend geklärt. Die Vernehmlassungsvorlage für ein neues, eigenständiges Gesetz soll im März 2022 präsentiert werden.
Ausgangslage
Die Schweiz gehört zu den global grössten Empfängern von Direktinvestitionen gemessen am Kapitalbestand (über CHF 1’350 Mrd. im Jahr 2019 gemäss der Schweizerischen Nationalbank). Dies ist insbesondere auf die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz zurückzuführen, aber auch auf eine offene Politik gegenüber ausländischen Investitionen. Eine Investitionskontrolle, das heisst einen Mechanismus zur systematischen Überprüfung ausländischer Investitionsvorhaben in inländische Unternehmen, wie er mittlerweile in zahlreichen grösseren Volkswirtschaften eingeführt wurde, kennt die Schweiz bisher nicht.
Im Februar 2019 sprach der Bundesrat sich im Bericht «Grenzüberschreitende Investitionen und Investitionskontrollen» gegen die Einführung einer Investitionskontrolle aus, da das Kosten-Nutzen-Verhältnis einer solchen insgesamt ungünstig sei und die bestehenden gesetzliche Grundlagen allfällige Risken bereits adressieren würden. Mit Annahme der Motion Rieder «Schutz der Schweizer Wirtschaft durch Investitionskontrollen» (18.3021) wurde der Bundesrat vom Parlament im März 2020 gleichwohl damit beauftragt, die gesetzlichen Grundlagen für eine Schweizer Investitionskontrolle zu entwerfen. Am 25. August 2021 präsentierte der Bundesrat in einer Medienmitteilung die Eckwerte für eine entsprechende Vorlage.
Ziele einer Schweizer Investitionskontrolle
Gemäss den vom Bundesrat definierten Eckwerten soll die Schweizer Investitionskontrolle zwei Ziele verfolgen: Erstens sollen Gefahren oder Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit aufgrund von Übernahmen von inländischen Unternehmen durch ausländische Investoren abgewendet werden. Zweitens sollen wesentliche Wettbewerbsverzerrungen bei Übernahmen durch ausländische staatliche oder staatsnahe Investoren verhindert werden.
Konkret sollen folgende Gefährdungen oder Bedrohungen im Zentrum einer Schweizer Investitionskontrolle stehen:
Einführung einer Melde- und Genehmigungspflicht
Die oben aufgeführten Ziele sollen erreicht werden, indem gewisse Übernahmen inländischer Unternehmen durch ausländische Investoren einer Melde- und Genehmigungspflicht unterworfen werden. Da gemäss Bundesrat die grundlegenden Gefährdungen von ausländischen staatlichen und staatsnahen Investoren ausgehen, sollen für Übernahmevorhaben dieser Investoren eine umfassende Meldepflicht eingeführt werden (sektorenübergreifend bzw. in allen Branchen). Private ausländische Investoren sollen Übernahmen hingegen nur dann melden müssen, wenn sie inländische Unternehmen in bestimmten, noch näher zu bezeichnenden Bereichen betreffen.
Die Meldepflicht soll nur für Investitionen gelten, die zu einer Übernahme der Kontrolle eines inländischen Unternehmens führen. Somit scheint der Bundesrat auf eine Meldepflicht beim Erwerb tiefer Beteiligungsquoten verzichten zu wollen. Stattdessen scheint er analog zur Schweizer Zusammenschlusskontrolle im Rahmen des Kartellgesetzes die Möglichkeit der Ausübung eines sog. «bestimmenden Einflusses» auf die Tätigkeit des betreffenden Unternehmens als tatbestandliches Aufgreifkriterium der Investitionskontrolle zu definieren. Soweit ersichtlich verzichtet der Bundesrat ferner auf eine Einschränkung der Meldepflicht durch absolute Schwellenwerte gemessen am Investitionsvolumen. Diese wurde im bundesrätlichen Bericht von 2019 noch diskutiert. Damit müssten sämtliche relevanten Investitionen unabhängig von deren Wert vor deren Vollzug gemeldet und genehmigt werden. Dies wäre anders als im Rahmen der Schweizer Zusammenschlusskontrolle, bei der bereits für die Meldepflicht hohe Umsatzschwellen gelten und führte für alle Involvierten zu einem hohen administrativen Aufwand.
Von zentraler Bedeutung wird einerseits die Frage sein, welche Unternehmen als inländisch im Sinne der Investitionskontrolle gelten sollen. Im Rahmen der Vernehmlassung sollen diesbezüglich zwei Varianten präsentiert werden, die sich darin unterscheiden, ob auch Übernahmen inländischer Tochterunternehmen von ausländischen Unternehmensgruppen von der Meldepflicht erfasst werden oder nicht. Andererseits wird die Definition des Begriffs des staatsnahen ausländischen Investors elementar sein.
Zweistufiges Genehmigungsverfahren
Meldepflichtige Übernahmen sollen in einem Genehmigungsverfahren im Hinblick auf die oben genannten Gefährdungstatbestände untersucht werden. Dabei sollen verschiedene Ämter unter koordinierender Leitung des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO in das Verfahren involviert sein. Analog zur Zusammenschlusskontrolle im Schweizer Kartellrecht würde das Genehmigungsverfahren in zwei Stufen unterteilt. In einer kurzen ersten Phase sollen alle meldepflichtigen Übernahmen dahingehend geprüft werden, ob sie im Kontext der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bedenklich sein oder im Falle von Übernahmen durch staatliche oder staatnahe Investoren zu wesentlichen Wettbewerbsverzerrungen führen können. Ist dies nicht der Fall, soll die Übernahme und deren Vollzug investitionskontrollrechtlich genehmigt werden. Werden im Rahmen dieser ersten Phase Bedenken identifiziert, sollen diese im Rahmen eines vertieften Genehmigungsverfahrens geprüft werden. Einigen sich die involvierten Behörden im Rahmen dieser zweiten Phase nicht einstimmig auf eine Genehmigung der beabsichtigten Übernahme, soll letztlich der Bundesrat darüber entscheiden.
Zur Dauer der beiden Phasen hat sich der Bundesrat noch nicht geäussert. In der bundesrätlichen Medienmitteilung ebenfalls noch nicht angesprochen wird die Frage, ob gegen die investitionskontrollrechtlichen Entscheide Rechtsmittel zur Verfügung stehen sollen. Vor dem Hintergrund der Ausführungen zu den Ausgestaltungen einer möglichen Schweizer Investitionskontrolle im bundesrätlichen Bericht von 2019 ist jedoch zu vermuten, dass ein ordentlicher Beschwerdeweg vorgesehen werden soll.
Ausblick
Der Bundesrat hat angekündigt, die Vernehmlassungsvorlage voraussichtlich Ende März 2022 zu präsentieren. Für die Investitionskontrolle soll ein neues und eigenständiges Bundesgesetz geschaffen werden, das auch Instrumente enthält, die Kooperationen und gegenseitige Ausnahmen von der Investitionskontrolle mit anderen Staaten ermöglichen. Ob eine Investitionskontrolle in der Schweiz letztlich eingeführt wird und, falls ja, ob diese sich an den hier vorgestellten Eckwerten orientiert, dürfte sich erst im Verlauf der parlamentarischen Debatten zeigen. Mit einer Einführung der Investitionskontrolle ist in jedem Fall aber frühestens 2023 zu rechnen.
Bei Einführung einer Schweizer Investitionskontrolle müssten ausländische Investoren im Hinblick auf geplante Investitionen in Schweizer Unternehmen neben der fusionskontrollrechtlichen Meldepflicht auch die investitionskontrollrechtliche Meldepflicht prüfen. Je nach konkreter Ausgestaltung der Aufgreifkriterien könnten die Meldepflichten parallel oder jeweils einzeln bestehen. Die vom Bundesrat präsentierten Eckwerte geben Aufschluss über die grundsätzlich vorgesehene Stossrichtung, lassen jedoch verschiedene zentrale Fragen unbeantwortet. Viele dieser Fragen dürften mit der Vernehmlassungsvorlage beantwortet werden. Aus Sicht der Praxis bleibt im Dienste der Rechtssicherheit zu hoffen, dass der Bundesrat mit der Vorlage den im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu prüfenden Gefährdungs- und Bedrohungstatbeständen sowie wesentlichen Wettbewerbsverzerrungen genügend konkrete Konturen bzw. Beurteilungskriterien verleiht.
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